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Forum 2: Benjamin Wockenfuß: Digital im Gleichgewicht? Woran erkennt man selbst, woran erkennen Pädagogen und Eltern, wann es zu viel ist?
- 1Kinder brauchen digitale Balance, Erwachsene aber auch
- 2Woran erkennen Pädagogen und Eltern, wann es zu viel ist?
- 3Für eine balanceorientierte Medienpädagogik – Was ist zu tun?
- 4Selbst Vorbild sein
Kinder brauchen digitale Balance, Erwachsene aber auch
„Kinder brauchen digitale Balance, Erwachsene aber auch“, so Social-Media-Manager und Suchttherapeut Benjamin Wockenfuß. Er leitet das Projekt „DigiKids“ bei der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen. Sein Anliegen: Kinder befähigen, sich in digitalen Lebensräumen selbstbestimmt zu bewegen, anstatt von diesen beherrscht zu werden.
Kinder haben ein Recht auf Medienkompetenz
Ich „gehe“ nicht mehr online, ich „bin“ online – Digitalität gehöre heute zur Lebensrealität. Somit sollte jedes Kind die Möglichkeit erhalten, seine digitale Kompetenz auszubilden. „Medienkompetenz“ sei „Lebenskompetenz“ und bestehe im „eigenverantwortlichen Umgang mit Medien“, erläutert Wockenfuß.
Gesunde Online-Offline-Balance im Zeitalter der Digitalisierung
Ziel sei nicht die Abstinenz von der Nutzung digitaler Medien, sondern eine souveräne Mediennutzung und die freie Wahl des Grads digitaler Vernetzung. Es gehe nicht um ein „Entweder-Oder“, sondern darum, das eigenständige Hin- und Herschalten zwischen den Zuständen „Off“ und „On“ gelingen zu lassen, fügt er an.
Woran erkennen Pädagogen und Eltern, wann es zu viel ist?
Als Indizien für digitale Überlastung der Kinder nennt Wockenfuß unter anderem
- wahlloses Wischen am Tablet, unruhiges Hin- und Herrutschen
- Verzögerungen im Spracherwerb (bei Kindern unter 18 Monaten)
- Fälle, in denen Medien reiner Selbstzweck seien und keinen sinnvollen Mehrwert mit sich brächten. Es gebe beispielsweise zu viele Baby-Apps: Ein digitaler Baukasten ersetze nicht das Erlebnis, wie sich Materialien oder Formen anfühlen. Kinder möchten etwas zum Anfassen haben, was sie berührt, und einen „impact“ spüren.
Für eine balanceorientierte Medienpädagogik – Was ist zu tun?
Benjamin Wockenfuß gibt konkrete Ratschläge:
- Zu berücksichtigen seien Alter, Reife und Lerngrade: Bei jedem Kind sei individuell auszuloten, ob es sich bereits in der Entwicklungsstufe befindet, ab der es Verantwortung über die Nutzung der Medien und Geräte übernehmen kann.
- Fortschritte beachten: Hat das Kind schon gelernt, selbst „nein“ zu sagen und sowohl die Rechte am eigenen Bild als auch die Privatsphäre anderer zu erkennen?
- Offline-Freiräume geben: Viele Kinder lesen gerne Bücher oder lieben es, wenn die Eltern ab und zu etwas vorlesen oder mit ihnen singen.
Eltern als beste Freunde
Digitales ersetzt nicht soziale Beziehungen. Entscheidend sei der Kontakt zum Kind, unterstreicht Wockenfuß: Insbesondere kleine Kinder sollten nie unbegleitet an den Geräten sein. Richten Sie ein „Familientablet“ ein und spielen Sie gemeinsam mit Ihren Kindern. Bleiben Sie an ihrer Seite, statt sie einfach nur dort zu „parken“, während Sie etwas vermeintlich Wichtigeres tun haben.
Selbst Vorbild sein
- „Medienkompetente Kinder brauchen medienkompetente Eltern“, fasst Benjamin Wockenfuß zusammen. Verwirrend sei beispielsweise, wenn 30 Elternpaare von ein und demselben Kinderfest 30 verschiedene Filme machen (Gefahr der Viralität). Er ergänzt weitere Tipps:
- Die Medienqualität einschätzen, zum Beispiel durch einen Blick auf die Impressumsseiten (Quellenprüfung).
- Außerdem: Selbst aktiv und kreativ, statt nur rezeptiv mit Medien umgehen beziehungsweise aufpassen, dass das Kind Gestalter/Produzent kreativer Prozesse wird, nicht nur Konsument.
- Ruhe in den Mediengebrauch bringen: Wer nur auf das Smartphone schaut, nimmt zum Beispiel beim Laufen die Umwelt nicht mehr wahr.
- Kinder ernst nehmen und ihnen respektvoll begegnen: Beim gemeinsamen Abendbrot am Esstisch nicht die Mails aus dem Büro checken, sondern Vorbild sein.
Text: Corinna Kirstein