HERE GOES INVISIBLE HEADER

Karlsruhe 2015

Tag der Medienkompetenz (Stadtmedienzentrum Karlsruhe)

"An der Schwelle zur Computergeneration"

Die positive Nachricht zuerst. „Die große Koalition in Berlin will im Frühjahr 2015 einen Staatsvertrag für digitale Bildung auf den Weg bringen“. Das berichtete Prof. Dr. Christoph Igel von der Technischen Universität Chemnitz beim Medienkompetenztag des Stadtmedienzentrums in Karlsruhe. Dort referierte er zum Thema „Bildung 4.0 – Emergente Bildungstechnologien und smarte Wissensdienste der Zukunft“. Die Hauptfrage hinsichtlich der digitalen Bildung sei, so Prof. Igel, „wie bringen wir die mobilen Technologien in die Schule hinein?“ In der Politik habe sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die digitale Revolution viele Fragen, Herausforderungen und Problemstellungen berge, aber noch mehr Chancen für die gesellschaftliche Entwicklung und Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Aus pädagogischer Sicht wäre hinzuzufügen: welche Ziele verfolgen wir mit dem Einsatz dieser Technologien, welche Kompetenzen können wir in welchem didaktischen Setting vermitteln? 

„Wenn wir allerdings weiterhin zu wenig tun, werden wir abgehängt und das wird unsere Wirtschaft in besonderem Maße treffen“, so Igel. Es sei notwendig die schulische Kompetenzentwicklung und Anforderungen seitens weiterer Ausbildung und Beruf in der Schule miteinander zu verknüpfen und die Jugendlichen auf das digitale Leben vorzubereiten. Die Industrie sage beispielsweise, dass eine grundlegende Medienkompetenz bei mindestens 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler fehle und sie daher nachqualifiziert werden müssten. „Bei der Frage ‚was ist zu tun‘ haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsproblem. Es muss endlich etwas geschehen“.

Einmal mehr zeichnete er ein eher düsteres Bild von der derzeitigen Situation an deutschen Schulen. Dabei bezog er sich auf die International Computer and Information Literacy Study (ICILS), wonach Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten bei der Ausstattung der Schulen sowie bei der kompetenten Nutzung von Medien und IT-Technologie im Unterricht hinterher hinkt. „Die Lehrerzimmer sind vielfach weder mit Computer noch Internet-Zugang ausgestattet, in den Klassenzimmern sieht es ähnlich aus, vielfach fehlen überhaupt verlässliche und starke Internetanbindungen“. Diese Situation in den Schulen trifft gleichzeitig auf hoch ausgestattete Schülerinnen und Schüler, die in ihrem Privatleben selbstverständlich – meist über mobile Geräte wie das Smartphone – Internet, Mediendienste und digitale Inhalte jederzeit und überall zur Verfügung haben. „Allerdings“, so Prof. Igel, „die Rede von den ‚digital natives‘ ist eine Mär. Jugendliche verfügen eben nicht über ausreichendes Wissen und Kompetenzen, um Medien und Technologien reflektiert und verantwortungsvoll zu nutzen“.

Noch seien Handy- und Facebook-Verbot an deutschen Schulen die Regel, mit der Ausstattung und Nutzung von Medien und IT-Technologien lägen sie etwa 15 Jahre zurück. Und das angesichts der Trends zu „Mobile Computing“ (Tablets, Smartphones etc.) oder „Smart Learning“ mit „smarten Technologien“ wie den Google-Glasses. Mit diesen Technologien verändert sich laut Prof. Igel auch der Content fundamental hin zu dynamischen, mehrdimensionalen und multimodalen Inhalten. Das heißt der Trend geht hier zum Bewegtbild und zu 3D. „Das können Sie bei den Jugendlichen beobachten. Was nicht in Bewegtbild und am besten noch in 3 D verfügbar ist – youtube hat ja beispielsweise bei Jugendlichen Google längst abgelöst – existiert bei denen nicht“. Zu diesem Trend passe auch, dass Google Flash-programmierte Inhalte nicht mehr unterstützt oder so statische Formate wie PDF auf den Smartphones häufig nicht mehr dargestellt werden. In Sachen 3-D sei etwa Daimler dabei Komponenten für Autos so zu entwickeln, dass sie künftig von einem 3-D-Drucker „produziert“ werden können.

„Wir stehen an der Schwelle zu einer Computergeneration – und das Smartphone oder die Smartwatch sind auch nichts anderes als Hochleistungsrechner – die vollgepackt sind mit Sensoren und Chips, die wiederum untereinander Daten austauschen.“ Ein weiteres Beispiel sei das „Internet der Dinge“, so wird etwa jeder Kühlschrank auch einen Computer beinhalten. „Er schickt Ihnen eine Einkaufsliste auf Ihr Smartphone und Ihr Einkaufswagen im Lebensmittelmarkt wird sie an das Regal führen, in dem die Dinge zu finden sind, die Sie brauchen“. Klar ist, dass damit vielfältige Aspekte des Datenschutzes berührt sind, denn die Geräte sammeln Daten des Nutzers – Nutzungsgewohnheiten, Geo-Daten, persönliche Daten, Bewegungen etc.- und entwickeln daraus ein Nutzermodel, aus dem dann abgeleitet wird, welche Informationen, Hinweise, ggf. auch Werbung für diesen speziellen Nutzer sinnvoll und relevant sind. Das, was jemand dann z.B. in einer Daten-Brille zu sehen bekommt, ist auf ihn persönlich abgestimmt.

Diese technologischen Entwicklungen scheinen bisher an den Schulen vorbeizugehen. Doch Abhilfe ist offenbar in Sicht, wenn man den Digitalisierungsinitiativen Glauben schenken darf (siehe oben). „Und eines ist dabei auch klar, Schulen und ihre Lehrkräfte brauchen umfassende Unterstützung, um die Lücke zwischen herkömmlichen Technologien und Inhalten und den neuen Technologien und Möglichkeiten zu schließen“. Dabei könne es nicht nur um eine verbesserte Ausstattung von Schulen gehen, vielmehr müssen auch die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte, die Schulkultur und nicht zuletzt auch die Einstellungen und Orientierungen der Lehrkräfte selbst den Veränderungen und Herausforderungen der Mediengesellschaft angepasst werden. „Lehrer brauchen gar keine Angst zu haben, dass sie von den neuen Technologien ersetzt werden könnten. Die neuen Technologien helfen vielmehr Zusammenhänge und Hintergründe anschaulich zu vermitteln. Wenn Sie etwa daran denken, dass Sie mit einer Datenbrille durch eine Wirbelsäule hindurchspazieren können und dabei natürlich ganz andere Erkenntnisse gewinnen, als bei einfachen Abbildungen oder Modellen. In der Lehre gewinnen Sie so Freiräume für den Diskurs über Problemlösungsstrategien“.

Positionen der Großen Koalition

CDU: "Mehr digitale Bildung an den Schulen"

SPD: "Wir brauchen einen Staatsvertrag für Medienkompetenz"

Während der Eingangsvortrag von Prof. Igel stark von den technischen Entwicklungen ausging, standen im weiteren Verlauf des Medienkompetenztages die pädagogischen und methodisch didaktischen Hilfen und Unterstützungsleistungen im Vordergrund. Weitere Themen des Medienkompetenztages in Karlsruhe waren „Flip the Classroom“, Medienbildung in den neuen Bildungsplänen und Jugendliche Medienwelten. Zum Thema „Flip the Classroom“ betreiben die beiden Referenten Felix Fähnrich und Carsten Thein einen eigenen Blog. Sie sind Lehrer für die Fächer Mathematik, Physik und NWT am Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium (WHG) in Durmersheim.

Kontakt

Medienpädagogische Beratungsstelle
0711 2850-777
beratungsstelle@lmz-bw.de