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Stuttgart 2015
Tablets in den Unterricht – aber wie?
Die Frage ist nicht mehr, ob mobile Computer wie Tablets im Unterricht genutzt werden sollen, sondern wie die technische Infrastruktur aussehen kann und wie die Geräte pädagogisch eingesetzt werden können. Unter dieser Prämisse hat das Stadtmedienzentrum Stuttgart zu seinem Medienkompetenztag eingeladen und offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen. Wie Tablets in den Unterricht gebracht werden können, interessierte so viele, dass die Veranstaltung schnell ausgebucht war.
Deutschland hat einen Nachholbedarf, was die Verankerung digitaler Medien in den schulischen Alltag betrifft, darin waren sich die Vortragenden, Professor Igel von der TU Chemnitz und die SPD-Politikerin und Informatikerin Saskia Esken, einig. Während die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen von digitalen Medien geprägt ist, werden diese aus der Schulrealität ausgeklammert. Dabei ist der kompetente Umgang mit digitalen Medien für eine digitale Gesellschaft unverzichtbar, wie Esken betonte. Neben bereits existierenden sozialen Ungleichheiten müssten deshalb digitalen Ungleichheiten vorgebeugt werden. Hier sieht sie das Bildungssystem in der Pflicht. Was die technische Infrastruktur und Ausstattung der Schulen betrifft, sind jedoch nicht einmal die Grundvoraussetzungen vorhanden, so Igel.
Technischen Szenarien
Bevor Tablets im Unterricht eingesetzt werden können, müssen sehr viele technischer und organisatorischer Fragen geklärt werden, zum Beispiel: Welche Geräte und welche Software soll zum Einsatz kommen und wie wird die Technik finanziert? Wie kann die Schule einen leistungsstarken WLAN-Zugang schaffen und sollen die Geräte ins Schulnetz integriert werden? Bekommen alle Schülerinnen und Schüler ein eigenes Tablet, mit dem sie auch zu Hause arbeiten können und wie werden diese Geräte dann versichert?
Welche unterschiedlichen Lösungen für diese Fragen gefunden werden, zeigte sich in den Workshops am Nachmittag. Das Landesmedienzentrum nimmt in seinem Projekt Tablet & Schule zum Beispiel Windows-Tablets und integriert diese in das schulische Netzwerk paedML. Welche Erfahrungen dabei gemacht werden, berichteten Johannes Gienger und Christian Biermann vom Stadtmedienzentrum Stuttgart. Während Johannes Gienger die Tablet-PCs mit der 10. Klasse des Schickhardt-Gymnasiums in Stuttgart erprobt, setzt Thomas Löchner, medienpädagogischer Berater am KMZ Heidenheim, die gleichen Geräte in einer Grundschule ein.
Tablets mit einem Android-Betriebssystem werden dagegen vom Landkreis Esslingen für die schulische Nutzung getestet. Manfred Bieser, Leiter des KMZ Esslingen, hat dafür eine Kooperation mit der Firma Samsung initiiert und möchte mit diesem Projekt vor allem Gemeinschaftsschulen unterstützen. Jeweils zwei Klassen der Stufen 5 und 6 wurden in Esslingen mit Tablets ausgestattet, wobei die Schülerinnen und Schüler die Geräte auch mit nach Hause nehmen können. Die Eltern müssen dafür die Versicherung der Tablets finanzieren. Diese haben zwei Arbeitsmodi, in denen sie genutzt werden können: Einen Privatmoduls und einen Bildungsmodus. Wie die Geräte das Lernen fördern können, dazu erhofft sich Bieser Erkenntnisse durch die Evaluation, die ein Doktorand der PH Schwäbisch Gmünd übernimmt. Er selbst hat die Erfahrung gemacht, dass die Schulen wirklich dankbar für die technische und organisatorische Unterstützung sind, da sie mit dieser Aufgabe alleine völlig überfordert wären.
Diese Überforderung hat auch Igel festgestellt. Seiner Meinung nach befinden sich die Schulen in einer Art „Schockstarre“. Die Entwicklung der Medien schreitet permanent voran und es ist für Schulen schlichtweg nicht möglich, ständig die neuesten Technologien im Einsatz zu haben. Dennoch kommen sie nicht umhin, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt eine gewisse Ausstattung anzuschaffen, aber welche?
Wie kann mit Tablets gelernt werden?
Die Zukunft des Lernens stellte sich Professor Igel so vor: Indem die Anwendungen Informationen über den User sammeln, könnten sie Übungen anbieten, die genau an den Wissensstand der Lernenden angepasst und so individuell auf sie zugeschnitten sind. Davon ist die Praxis aber noch meilenweit entfernt und müht sich erst einmal damit ab, bereits vorhandene Lernmaterialien wie Filme, Arbeitsblätter oder Schulbücher auf den mobilen Geräten zugänglich zu machen und werden dabei mit Lizenzfragen, Software- und Netzwerkproblemen konfrontiert.
So praktisch die mobilen Geräte auch sind, muss man sich im Umgang oft erst einmal klar machen, dass Tablets keine PCs sind. So funktionieren zum Beispiel oft keine flashbasierten Anwendungen auf Tablets, weshalb einige bereits vorhandenen Lerninhalte, Plattformen und Anwendungen nicht mehr ohne Weiteres nutzbar sind. „Man muss einfach mit einer anderen Erwartungshaltungen an die Geräte herangehen“, betonte deshalb Sabine Strauß vom Medienzentrum Pforzheim-Enzkreis. Sie ist Kunsterzieherin an einem Gymnasium und setzt gerne iPads im Unterricht ein. Ihre Schule besitzt einige dieser Geräte, die in verschiedenen Klassen eingesetzt werden.
Mit welchen Apps sie dabei arbeitet, stellte sie in ihrem Workshop vor: Mit der App Morfo kann zum Beispiel alles animiert werden, was ein Gesicht hat – so könne man die Schülerinnen und Schüler beispielsweise Romanfiguren zum Leben erwecken und sich selbst charakterisieren lassen. Die App Puppet Pals ist wie eine Theaterinszenierung aufgebaut, bei der sich Figuren auf einer Bühne animieren lassen. So können auf spielerische Art und Weise Inhalte erarbeitet und Sprechanlässe für die Schülerinnen und Schüler geschaffen werden.
Elektronische Schulbücher und die Organisation von Inhalten
Inhalte zur Verfügung stellen, Übungen erstellen, digital austeilen, einsammeln und die Lernstände der Schülerinnen und Schüler verwalten – an der Lösung dieser Aufgaben arbeiten Verlage, Firmen und Institutionen. Das LMZ selbst ist gerade dabei, eine Lernraum-App zu entwickeln und zu erproben, mit der Lehrkräfte ihren Unterricht mit Online-Medien und eigenen Medien vorbereiten, durchführen und mit Schülerinnen und Schülern interagieren können. Bei dem Tablet-Projekt des KMZ Esslingen hat man sich dagegen für das kommerzielle Produkt itslearning als Lernplattform entschieden. Strauß nutzt für die Aufgabenstellung die App iTunesYou und verteilt den Link dann per E-Mail an ihre Klasse.
Der Klettverlag, der beim Medienkompetenztag einige seiner digitalen Produkte vorstellte, bietet seine Schulbücher in der elektronischen Variante auf der verlagsübergreifenden Plattform digitale-schulbuecher.de (digitale-schulbuecher.de) an. Dabei handelt es sich um eine rein digitale Wiedergabe des Printlehrwerks, d.h. es sind keine zusätzlichen interaktiven Funktionen vorhanden. Unter dem Stichwort „Testen und Fördern“ bietet Klett eine Online-Plattform als Zusatz zu Lehrwerken für den Fremdsprachenunterricht an; dort können Lehrkräfte Tests entwickeln und differenziert auswerten.
Strauß hofft diesbezüglich, dass die Verlage bald mehr interaktive Materialien für den Unterricht mit Tablets anbieten. Einstweilen nutzt sie, was es bereits gibt und hat auch schon selbst ein eigenes E-Book zusammengestellt. Oder sie lässt ihre Schülerinnen und Schüler mit der App BookCreatorselbst ein Buch produzieren.
Insgesamt zeigte der Medienkompetenztag, dass es im Moment mehr Fragen als Antworten gibt, was den Einsatz mobiler Geräte im Unterricht betrifft. Aber es wurde auch deutlich, dass Medienzentren, Schulleitungen und Lehrkräfte intensiv dabei sind, verschiedene Lösungen zu testen. Welche Vor- und Nachteilen die einzelnen Wege mit sich bringen, wird sich dann mit zunehmender Erfahrung zeigen.
Text: Henriette Carle