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Vortrag 2 – „Digitale Ethik – wozu brauchen wir sie?“

Vortrag 2 – „Digitale Ethik – wozu brauchen wir sie?“

Workshop 2 Petra Grimm betonte den Wert von Privatheit. „Vielfach wird das heute belächelt oder mancher sagt ‚Ich habe doch nichts zu verbergen‘“, dabei vergessen sie, dass es bei Privatheit um viel mehr geht“. Fotos: Sascha Schmidt (LMZ), Text: Ingrid Bounin.

Brauchen wir eine Ethik der Algorithmen?

Unbedingt, sagt Professorin Petra Grimm von der Hochschule der Medien in Stuttgart. Und zwar immer unter dem Gesichtspunkt „wie ist ein gelingendes Leben für alle unter den Bedingungen der Digitalisierung möglich“? Bisher sei der „digitale Kosmos“ von rein ökonomischen Mechanismen und Zielsetzungen geprägt. Damit einher gehe auch eine „Ökonomisierung der Wertesysteme“, die Aspekte wie Leistung, Effizienz, Selbstoptimierung, Quantifizierung etc. in den Mittelpunkt rücke. Petra Grimm setzte dem beim Safer Internet Day 2018 im Haus der Wirtschaft eine „Digitale Emanzipation“ entgegen, die sie mit Begriffen wie Autonomie, Schutz der Privatheit, Kontrolle über die eigenen Daten, Empathie und Verantwortung für andere beschreibt.

Ethische Reflexionsfragen siedelt Professorin Grimm auf drei Ebenen an:

  • Makro-Ebene (Gesellschaft): Welche Auswirkungen haben die Überwachungssysteme auf unsere Demokratie? Erfolgt tatsächlich eine freiwillige Preisgabe von Daten in Social Media? Bilder gehören den Menschen nicht mehr. Führt die Form der Kommunikation auf Plattformen zu Normierung? Wie gehen wir mit Wertekonflikten um? Sicherheit vs. Privatheit und Autonomie?
  • Meso-Ebene (Unternehmen, Institutionen): Wünschenswert wäre eine Verpflichtung von Unternehmen und Institutionen zu wertebasiertem Design. Welche Folgen haben Künstliche- Intelligenz-Anwendungen von Firmen? Big Data-Analysen sollten einer ständigen Kontrolle der Daten und Kategorien sowie einer Transparenzpflicht unterliegen. Wir brauchen eine neue Form von Technikfolgeabschätzung, technisch ist dies möglich – u.a. mit Big Data - möglich. Gleichzeitig wäre eine datenökologische Verantwortung von Unternehmen sinnvoll. „Privacy made in Europe“ könnte ein Wettbewerbsvorteil sein.
  • Mikro-Ebene (Nutzerinnen und Nutzer): Welche Werte sind mir wichtig? Erhalte ich Aufklärung über Datenanalyseprozesse? Kann ich Risiken für mich selbst und andere abschätzen? Welche Alternativen gibt es? Welche Werkzeuge für Selbstdatenschutz gibt es?

Gleichzeitig betonte Petra Grimm den Wert von Privatheit. „Vielfach wird das heute belächelt oder mancher sagt ‚Ich habe doch nichts zu verbergen‘“, dabei vergessen sie, dass es bei Privatheit um viel mehr geht“. Nämlich um

  • Persönliche Autonomie, um zu verhindern von anderen manipuliert, dominiert oder bloßgestellt zu werden.
  • Emotionalen Ausgleich, um frei von sozialem Druck und gesellschaftlichen Erwartungen, Stress abbauen zu können.
  • Selbstevaluation, d.h. in Ruhe und ohne Beeinflussung über sich selbst nachdenken können.
  • Geschützte Kommunikation, die in kleinem Rahmen und face-to-face stattfindet und nicht vor der gesamten Welt.  

Gerade zum letzten Punkt führte sie einen interessanten Aspekt an: „Instagram und Snapchat geben die Struktur vor, wie man kommuniziert, das ist keinesfalls individuell steuerbar. Das erhöht die Verletzbarkeit des Einzelnen, veranlasst millionenfach zur Preisgabe persönlicher Informationen, bindet Aufmerksamkeit, die für anderes nicht zur Verfügung steht und erfordert eine permanente Bewertung und Einordnung der Informationen, die man vorfindet und führt letztlich zu einem ständigen Vergleich mit anderen und damit zu einem erhöhtem Anpassungsdruck“.

Welche Werte sollten künftig gelten, wenn es um unsere Gesellschaft in digitalen Zeiten geht? Dafür formulierte Petra Grimm zehn ethische Prinzipien.

10 Ethische Prinzipien für die IT

  1. Demokratische Grundordnung und Werte müssen geschützt werden
  2. Verantwortungsbewusstsein und Folgeabschätzung
  3. Selbstbestimmung und Autonomie der Menschen gewährleisten
  4. Privatheit erhalten
  5. Transparenz und Nachvollziehbarkeit aller Prozesse ermöglichen
  6. Vertrauen aktiv herstellen
  7. Pflichtbewusstsein für die Sicherheit der Systeme herstellen
  8. Achtsamkeit gegenüber anderen üben
  9. Einen Perspektivenwechsel von der rein ökonomischen zur demokratischen Sichtweise vornehmen
  10. Chancengleichheit herstellen

Für all dies sei eine Bildungsoffensive nötig, die sich keinesfalls nur auf Kinder und Jugendliche beschränke, sondern gerade auch IT-Entwickler und Entscheidungsträger einbeziehe, damit künftig werte-basierte Systeme entwickelt und gefördert würden. Gleichzeitig sei ein juristisches Regelwerk erforderlich, um die Privatheit zu schützen.

Kontakt

Medienpädagogische Beratungsstelle
0711 2850-777
beratungsstelle@lmz-bw.de