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Vortrag 1 – „Wie Algorithmen und Big Data unsere Zukunft bestimmen“

Vortrag 1 – „Wie Algorithmen und Big Data unsere Zukunft bestimmen“

Vortrag 1 Prof. Dr. Dirk Helbing, ETH Zürich – Mitverfasser von „Das Digital-Manifest“: „Aus den Daten können wir viele Informationen gewinnen, die uns helfen die Dinge besser zu machen, bis hin zur Möglichkeit Probleme wie Hunger, Krieg, Terrorismus, Klimaveränderung zu lösen.“ Bild: Sascha Schmidt (LMZ), Text: Ingrid Bounin.

„Wir können werte-sensitive Systeme auf den Weg bringen“

„Wir erleben gerade einen heftigen Transformationsprozess, der vermutlich alles in den Schatten stellt, was es bisher – etwa durch die industrielle Revolution – technologisch und gesellschaftlich an Veränderungen gegeben hat“. Professor Dirk Helbing von der ETH Zürich nahm die Besucher der Fachtagung der Initiative Kindermedienland zum Safer Internet Day mit auf eine kleine Reise in die technologische Gegenwart und Zukunft.

In drei-vier-fünf Jahren werden wir superintelligente Systeme in allen Bereichen haben, so seine Prognose. Bisher kennen wir Computer, die besser Schach spielen als die besten Schachspieler der Welt. Wir kennen erste Roboter oder Assistenzsysteme wie Alexa und Siri, die schneller und besser Aufgaben erledigen können als wir selbst. Und: Die neuen Technologien müssen nicht mehr von Menschen trainiert werden, sondern sie bringen sich alles selber bei. An den Robotern sieht man, dass sie immer mehr können und sie werden auch eingesetzt, um wiederum noch bessere Roboter zu bauen. Dirk Helbing verwies dabei auf die wirtschaftlichen Interessen, die hinter solchen Technologien stecken: „Roboter müssen nicht zehn Jahre die Schulbank drücken und dann noch fünf Jahre studieren bis sie halbwegs ausgebildet sind. Roboter lernen das und noch viel mehr viel schneller als Menschen“.

Er bezeichnete diese Technologien als „perfekten Sturm“, die im Eiltempo neue Geschäftsmodelle hervorbringen, unsere Arbeitsplätze an vielen Stellen überflüssig machen, das Rechtssystem, ja die ganze Gesellschaft verändern. Hier einige weitere Beispiele:

  • Ein 3-Drucker kann ganze Häuser ausdrucken und zwar in kürzester Zeit.
  • Das Thema Bitcoin lässt Banken zittern.
  • Selbstfahrende Fahrzeuge bringen eine andere Mobilität als wir sie bisher kennen.
  • Wahlen wurden mit Social Bots manipuliert, der Brexit kam dadurch zustande. Man geht derzeit von einer Veränderung von fünf bis sechs Prozent durch solche algorithmengestützte Beeinflussung aus.
  • Virtuell Reality bringt ganz neue Erlebnisse durch holografische Systeme. Möglicherweise werden wir uns künftig gar nicht mehr so viel bewegen, sondern alles zu Hause „erleben“.
  • Es ist ein neues Rechtssystem entstanden und zwar am Parlament vorbei. „Code is law“ heißt es da. Algorithmen bestimmen, was unser Leben bestimmt oder bestimmen wird.
  • Durch Nudging (nudge, englisch für Stups oder Schubs) werden wir manipuliert, in dem wie wir handeln, uns verhalten, welche Bedürfnisse wir entwickeln, wie wir denken. Das hat Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft.
  • Heute wird ein Neuro-Marketing praktiziert, das komplett personalisiert ist. Google und viele andere kennen Sie! Die Daten, die man dafür braucht, holen sich die Anbieter aus dem Internet, denn die Daten, die wir bei der Nutzung des Internet hinterlassen, entblößen alles.

Angesichts dieser Entwicklungen sprechen einige von den neuen Technologien als „Atombomben des digitalen Zeitalters“. Es mangelt nicht an Verschwörungstheorien, etwa dass Mark Zuckerberg (Gründer von Facebook) die Welt regieren will. Fakt ist, dass China in den nächsten Jahren 150 Milliarden Dollar in die Fortentwicklung künstlicher Intelligenz investieren will. Da könnte also noch einiges auf uns zu kommen. Besorgniserregend sei zudem das sogenannte Social Rating System, mit dem China das Verhalten seiner Bürgerinnen und Bürger überwachen, steuern und bewerten möchte. Dirk Helbing warnte in diesem Zusammenhang vor einem „Technologischen Totalitarismus“.

Gleichzeitig zeigte er sich optimistisch, dass es gelingt, nachdem Europa „die Entwicklung vielfach verschlafen hat“, ganz eigene „wertesensitive Systeme“ auf den Weg zu bringen. Die Demokratie sollte nach Ansicht Helbings sozusagen eingebaut sein in jede Form von Software. „Dazu müssen wir weg von diesem ‚War-Room-Denken‘. Unsere Technologien brauchen Transparenz, einen demokratischen Rahmen, einen multiperspektivischen Ansatz, Partizipationsmöglichkeiten für die Bürger. Wir brauchen Zugriff auf die Daten, die über uns gesammelt worden sind. Wir sollten darüber entscheiden können“. Und für Dirk Helbing ist auch klar, dass Big Data Chancen bietet, Systeme zugunsten der Menschen und der Demokratie zu entwickeln. „Aus den Daten können wir viele Informationen gewinnen, die uns helfen die Dinge besser zu machen, bis hin zur Möglichkeit Probleme wie Hunger, Krieg, Terrorismus, Klimaveränderung zu lösen. Dafür braucht es ein neues Denken und eine breite Befähigung von Menschen und nicht eine Überregulierung und top down“.

Es gelte die Kooperation verschiedenster Disziplinen zu fördern und alles so anzulegen, dass Schaden jedweder Art vermieden wird – Schaden für die Umwelt zum Beispiel ebenso wie Schaden für andere Menschen. Dafür gilt es, das Wissen vieler – des Schwarms – zusammenzubringen, um daraus innovative Lösungen zu entwickeln. „We are the beginning of a new age“.

Kontakt

Medienpädagogische Beratungsstelle
0711 2850-777
beratungsstelle@lmz-bw.de