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Workshop 4 – „Data Mining, Data Dealing: Sind wir schon alle gläsern?“

Workshop 4 – „Data Mining, Data Dealing: Sind wir schon alle gläsern?“

„Sind wir schon alle gläsern?“ – Mit dieser Frage beschäftigten sich Gerda Sieben vom JFC Medienzentrum in Köln sowie der LMZ-Referent Mike Kuketz in einem Forum am Nachmittag des Safer Internet Days am 7.2.2017 im Haus der Wirtschaft in Stuttgart. Fotos: Christian Reinhold (LMZ), Text: Nora Brockamp.

Dabei gab Mike Kuketz zunächst einen Überblick zum Thema Datenschutz und Privatsphäre und klärte einige Begrifflichkeiten. Anschließend betrachtete Gerda Sieben das Thema aus der pädagogischen Perspektive und zeigte Herangehensweisen auf, wie das Thema mit Jugendlichen bearbeitet werden kann.

„Radioaktive Daten“

Die Frage „Sind wir schon gläsern?“ meint, ob Staat und Unternehmen bereits so viele Daten über jeden Einzelnen sammeln können, dass sie einen Menschen besser einschätzen können, als der sich selbst. Kuketz machte darauf aufmerksam, dass der Einzelne sich häufig nicht besonders beobachtet fühlt oder gar beklaut vorkommt, weil die Datenspuren, die jeder hinterlässt, nicht mit den Sinnen erfassbar sind. Man spürt keinen tatsächlichen „Einbruch“ in das eigene Haus. Und man wäre empört, wenn der Nachbar oder Wildfremde die eigenen Briefe öffnen oder die persönlichen Sachen durchwühlen würde. Online geschehe dies jedoch ständig.

„Datenschutz ist eigentlich tot!“

Kuketz erklärte zunächst ein paar wichtige Begrifflichkeiten: „Big Data“ meint die Erfassung, Speicherung und Verarbeitung riesiger Datenmengen, die aus unterschiedlichen Quellen stammen. Sie sind Voraussetzung für das „Data Mining“, das Schürfen in Daten. Letzteres bezeichnet das Erkennen von Querverbindungen und Trends durch die statistische Auswertung der Massendaten. „Data Dealing“ schließlich ist das Fachwort für den Handel mit Nutzerdaten. Was bedeutet das nun für den Datenschutz? Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also das Recht über die Verwendung und Preisgabe von Daten selbst zu bestimmen lässt sich in der vernetzten Informationsgesellschaft nicht mehr wahrnehmen. Gleichzeitig soll dieses Recht jedoch vor übermäßiger Überwachung durch den Staat und Datenmonopole einzelner Firmen und nicht zuletzt vor der Durchleuchtung der Menschen allgemein schützen. Das sei aber in vielen Fällen bereits Illusion.

Wer will meine Daten?

Der Staat beziehungsweise die Geheimdienste sammeln Daten zur Terrorabwehr, aber je nach Staat unter Umständen auch zur Unterdrückung politisch Andersdenkender. Unternehmen bauen Kundenprofile auf. Sie wollen wissen, welche Produkte sich auf welche Weise gut vermarkten lassen und manipulieren durch passgenaue Werbung. Ein Beispiel hierfür sind hochfrequente Töne zwischen 18 000 und 20 000 Hz, die beim Anschauen von Werbung am Computer für den Menschen unhörbar ausgesendet werden und vom Mikrofon am Handy wiederum abgehört werden können. Die Auswertung dieser in Töne verwandelten Daten führen dazu, dass dem Handynutzer passende Werbung auch an diesem Gerät angezeigt wird. Als ein anderes Beispiel kann hier auch die Firma „Kreditech“ genannt werden, die anhand von Nutzerdaten die Kreditwürdigkeit von Personen bestimmt. Die Firma hat zwar ihren Sitz in Deutschland, agiert jedoch nur im Ausland. Als dritte Gruppe lassen sich natürlich noch Kriminelle nennen, die sehr viel zielgerichteter vorgehen. Sie interessieren insbesondere die geheimen Daten von Unternehmen und dem Staat.

Mein digitales Ich – Die Technische Perspektive

Doch was für Daten werden eigentlich überhaupt gesammelt? Kuketz teilt diese in drei Bereiche ein, die zu einem immer vollständigeren Profil des „digitalen Ichs“ führen.

  1. Daten, die man bewusst weitergibt und worüber man auch Kenntnis und Kontrolle hat. Dazu zählen zum Beispiel Beiträge in Sozialen Netzwerken, private Fotos in der Cloud oder das Versenden einer E-Mail.
  2. Daten, die man unbewusst weitergibt, was häufig nur eingeschränkt kontrollierbar ist: Hiermit sind Cookies und die Übermittlung der IP-Adresse beim Surfen, aber auch die Übermittlung von Daten des Smart-TVs gemeint.
  3. Daten, die man ohne Wissen weitergibt, was nicht ansatzweise kontrollierbar ist. Dies beinhaltet die Übermittlung einer eindeutigen Geräte-ID-Nummer an Websites, den Adresshandel oder die nicht kontrollierbare Verwendung von SMS-Inhalten oder anderen Textnachrichten.

Weitergehende Informationen zum Thema Datenschutz finden sich auch auf Mike Kuketz’ Blog.

Big Data Analytics – Herausforderungen für die Medienbildung

Aus pädagogischer Sicht wies Gerda Sieben, Leiterin des JFC Köln, darauf hin, dass es sich bei Big Data um kein wie üblich im Jugendmedienschutz handhabbares Thema handelt. Es reiche nicht mehr aus, bestimmte Privatsphäre-Einstellungen vorzunehmen. Es sei nämlich nur schwer kontrollierbar, was an Daten weitergegeben werde. Schließlich seien sogar Spielzeuge im Umlauf, die buchstäblich Kinderzimmer abhören können. Sieben erklärte, sie wolle Mut zur Auseinandersetzung mit dem Thema machen. Man müsse es für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen „herunterbrechen“ und praktisch nachvollziehbare Methoden und Materialien entwickeln.

Sieben empfiehlt einer Sieben-Schritte-Anleitung von Klicksafe zu folgen, die sie durch weitere Angebote ergänzt:

  1. Für die Bedeutung von Privatheit sensibilisieren: Dazu gibt es einige Materialien im Netz. Eine Handreichung zum Thema Big Data findet sich auch auf der Seite vom JFC Köln. Darin sind auch weiterführende Links und Filmempfehlungen zum Thema zu finden. Außerdem gibt es immer wieder Theaterstücke, die sich dem Thema annehmen. Sie können als Grundlage für weiterführende Diskussionen dienen.
  2. Grundprinzipien von Big Data analysieren und erkennen: Fragen wie „Wie werden Daten gesammelt? Wo kommen die her? Was ist Datenhandel? Was bedeutet es, so viele Informationen zu haben – was wird damit gemacht?“ lassen sich durch spielerische Auseinandersetzung in Gruppenspielen erfassen und durch Angebote wie der interaktiven Serie „Do not Track“ von Arte erleben. Eine andere Möglichkeit der Auseinandersetzung ist, den eigenen Tagesablauf in Bezug auf die Datenweitergabe zu reflektieren.
  3. Auseinandersetzungen mit Anwendungsfeldern von Big Data: Es gilt Anwendungsbereiche wie Shopping, Journalismus oder Gesundheit zu erkunden. Das JFC Köln erarbeitet derzeit einen Methodenkoffer, in dem sich einige dieser Aspekte finden werden.
  4. Die Folgen reflektieren: Reflexion über die Folgen von Big Data kann über digitale Spiele wie Datadealer und Data-Run oder über analoge Spiele, wie das vom JFC entwickelte Planspiel Start-up in Datarryn erfolgen. Für diese Spiele ist eine vorherige ausführliche Information zum Thema für die Teilnehmer wichtig.
  5. Wertekonflikte thematisieren und Ethos entwickeln: Positive und negative Effekte von Big Data sollten abgewogen werden. Thematisieren kann man zum Beispiel die Gegenpole „Sicherheit – Freiheit“, „Individualisierte Auswahl – Filter Bubble“ und „Überwachung – Kontrolle“. Dazu eignen sich inszenierte Diskussionsrunden mit einem konkreten Problemfall, Selbstversuche zur Datenpreisgabe und Tools wie das beobachtende Spiel Panopti.com.
  6. Handlungsoptionen entwickeln: Es ist derzeit schwierig, als Pädagoge oder Pädagogin klare Handlungsempfehlungen zu geben. Es ist daher umso wichtiger die Jugendlichen als gleichwertige Gesprächspartner wahrzunehmen. Zu empfehlen sind allerdings immer:
  • Datensparsamkeit und Digitale Selbstverteidigung wie beispielsweise Verschlüsselungsmethoden und das Löschen von Cookies.
  • Open Data Projekte nutzen und durch das Erlernen von Programmierung Prozesse verstehen.
  • Neue Medienkritik und -ethik durch journalistische Projekte und durch das Erkunden von Filterbubbles entwickeln.
  • Politisches Engagement kann auf den Wunsch nach Veränderungen hinweisen, wenn auch nicht die Probleme an sich lösen. Verbraucherschutz kann ebenfalls auf Probleme hinweisen und auf Änderungen drängen, etwa dass durch das Konzept den „Privacy by Design“ von vorneherein Datenschutzprobleme minimiert werden.

Weitere Links zu Materialien und Anregungen finden Sie auch in der Präsentation sowie in der Handreichung des JFC.