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Vortrag 1 – „Zwischen Kompetenz und Kontrollverlust – Wir in der Digitalen Welt“

Vor­trag 1 - „Zwi­schen Kom­pe­tenz und Kon­troll­ver­lust – Wir in der Di­gi­ta­len Welt“

Vor­trag 1 Dr. Ha­rald Gap­ski for­der­te zu­sätz­lich zur Me­di­en­kom­pe­tenz­ver­mitt­lung mehr po­li­ti­sche Bil­dung und Mut zum Dis­kurs. Bild: Chris­ti­an Rein­hold (LMZ), Text: Ste­pha­nie Woess­ner.

„Zwi­schen Kom­pe­tenz und Kon­troll­ver­lust – Wir in der Di­gi­ta­len Welt“

„Ja, Du. Du hast die Kon­trol­le über das In­for­ma­ti­ons­zeit­al­ter. Will­kom­men in Dei­ner Welt.“ So hieß es 2007 auf der Ti­tel­sei­te des Time Ma­ga­zi­ne. Ge­meint war, so Dr. Ha­rald Gap­ski, dass das Web 2.0, das par­ti­zi­pa­ti­ve In­ter­net, ent­stan­den war, das die Teil­ha­be jedes Ein­zel­nen ver­sprach. Heute, noch ein­mal 10 Jahre spä­ter, hat sich die Tech­no­lo­gie so schnell ver­än­dert, dass die ana­lo­ge Welt und die di­gi­ta­le Welt lang­sam mit­ein­an­der ver­schmel­zen und sich ge­gen­sei­tig be­ein­flus­sen. „Blickt man ein klein wenig in die Zu­kunft, leben wir ver­mut­lich in der Cloud und ver­schmel­zen mit der künst­li­chen In­tel­li­genz, die unser Leben schon jetzt stark be­ein­flusst“, so Ha­rals Gap­ski.

Die Me­ta­pher der Wolke, die uns hel­fen soll, die Idee der Aus­la­ge­rung von Daten zu ver­an­schau­li­chen, werde häu­fig eine an­de­re Me­ta­pher ge­nutzt, näm­lich un­se­re Daten als „Öl des 21. Jahr­hun­derts“ zu be­zeich­nen, weil sie der­zeit immer mehr an Wert ge­win­nen. Gap­ski hält al­ler­dings eine ganz an­de­re Me­ta­pher für tref­fen­der: Uran. Denn un­se­re Daten wür­den wie der ra­dio­ak­ti­ve Stoff an­ge­rei­chert und zwar mit Deu­tun­gen und Pro­gno­sen und man würde – wie beim Uran – weder hören, sehen noch rie­chen, wenn man Daten hin­ter­lässt und wel­che Kon­se­quen­zen dies mög­li­cher­wei­se habe. So sei es heute mög­lich, Men­schen auf­grund ihres Online-​Verhaltens zu ana­ly­sie­ren, um sie dann ge­zielt zu be­ein­flus­sen. Das zeige deut­lich, dass der Da­ten­schutz und das Wis­sen über Me­di­en und ihre di­gi­ta­len Diens­te immer wich­ti­ger wer­den, und damit auch in Schu­len sei­nen fes­ten Platz haben müs­sen.

Ha­rald Gap­ski zog hier­für noch eine wei­te­re Ana­lo­gie heran und ver­glich den Ver­kehr bzw. Au­to­bah­nen mit Da­ten­au­to­bah­nen. Wer auf der Au­to­bahn ein Fahr­zeug len­ken möch­te, muss die Ver­kehrs­re­geln ken­nen und unter an­de­rem einen Füh­rer­schein haben. Wieso also soll­te dies auf der Da­ten­au­to­bahn an­ders sein? Zumal diese bei­den Wel­ten künf­tig immer stär­ker durch ver­netz­te Autos, die die Welt und jeden ein­zel­nen Fah­rer da­ti­fi­zie­ren, mit­ein­an­der in Kon­takt tre­ten und sich ge­gen­sei­tig be­ein­flus­sen.

Diese wech­sel­sei­ti­ge Be­zie­hung von Mensch, Sen­so­ren und Ma­schi­ne wird laut Gap­ski immer be­deut­sa­mer im All­tag und es gelte Kon­troll­me­cha­nis­men dafür zu ent­wi­ckeln.  

Ein ein­drucks­vol­les Bei­spiel für diese Her­aus­for­de­rung stellt der so­ge­nann­te „Hash Crash“ dar. Am 23. April 2013 wurde der Twitter-​Account der As­so­cia­ted Press ge­hackt und die Falsch­mel­dung ver­öf­fent­licht, dass es zwei Ex­plo­sio­nen im Wei­ßen Haus ge­ge­ben habe und Ba­rack Obama ver­letzt wor­den sei. Eine Falsch­mel­dung, die sich über das In­ter­net in Se­kun­den­schnel­le ver­brei­te­te und die in den fol­gen­den Mi­nu­ten einen kurz­zei­ti­gen dras­ti­schen Ein­bruch der Bör­sen­kur­se zur Folge hatte.

Po­ten­zi­el­le Ge­fah­ren kom­men also nicht nur von Men­schen, son­dern  auch von Ma­schi­nen, die in­zwi­schen – be­kannt als Künst­li­che In­tel­li­genz - oft­mals un­er­kannt mit Men­schen in­ter­agie­ren. Für die Fort­schrit­te in die­sem Be­reich nann­te Ha­rald Gap­ski eben­falls Bei­spie­le:

1997 be­sieg­te erst­mals ein IBM-​Computer na­mens Deep Blue den Schach­welt­meis­ter Garry Kas­pa­rov, eine da­mals er­staun­li­che Leis­tung, die welt­weit für Er­stau­nen sorg­te. Schach ist auf Grund sei­ner Logik für Com­pu­ter re­la­tiv leicht er­lern­bar und von daher war die­ser Er­folg der künst­li­chen In­tel­li­genz für viele er­klär­bar. Viele stau­nen je­doch über die wei­te­ren Ent­wick­lun­gen auf die­sem Ge­biet.

2011 näm­lich konn­te IBM einen wei­te­ren gro­ßen Er­folg im Be­reich der künst­li­che In­tel­li­genz ver­zeich­nen, als sein Com­pu­ter na­mens Wat­son die Jeo­par­dy!-​Meister Ken Jen­nings und Brad Rut­ter be­sieg­te. 2017 ge­lang es schließ­lich einem Com­pu­ter mit künst­li­cher In­tel­li­genz, in einem 20-​tägigen Tur­nier vier pro­fes­sio­nel­le Po­ker­spie­ler zu be­sie­gen. Poker ba­siert an­ders als z.B. Schach nicht nur auf logisch-​berechenbaren Ak­tio­nen, son­dern auch auf der Aus­wer­tung und der Re­ak­ti­on auf emotional-​menschliche Aspek­te. Dies zeigt deut­lich, wohin die Reise geht.

Wäh­rend es mo­men­tan noch häu­fig um Ex­pe­ri­men­te geht, die der For­schung die­nen, hat die letz­te Prä­si­dent­schafts­wahl in den USA ein kla­res Bild davon ge­zeich­net, dass Be­ein­flus­sung der Ge­sell­schaft, z.B. durch künst­li­cher In­tel­li­genz in Form von So­cial Bots, mög­lich ist und ein­ge­setzt wird. Der IBM Com­pu­ter Wat­son soll in­zwi­schen nicht nur seine Fä­hig­kei­ten bei Jeo­par­dy! unter Be­weis stel­len, son­dern auch bei Flücht­lin­gen zwi­schen Hilfs­be­dürf­ti­gem und po­ten­zi­el­lem Ter­ro­ris­ten un­ter­schei­den. Das berge deut­li­che Ge­fah­ren, so Ha­rald Gap­ski, wenn man be­den­ke, dass etwa ein Al­go­rith­mus, der das Rück­fäl­lig­keits­po­ten­zi­al von Straf­tä­tern in den USA be­rech­nen soll­te, zu 80 Pro­zent falsch lag und Afro-​Amerikaner deut­lich dis­kri­mi­nier­te. „Die Be­ur­tei­lung von Men­schen auf­grund von ober­fläch­lich wahr­nehm­ba­ren Ei­gen­schaf­ten birgt viele Ri­si­ken, denen wir uns nicht nur be­wusst sein müs­sen, son­dern denen wir uns auch kom­pe­tent stel­len müs­sen“, so Gap­ski.

Bis­her als be­lang­los an­ge­se­he­ne Daten kön­nen po­ten­zi­ell wert­voll sein oder wer­den. Wir leben heute in einem Span­nungs­feld von In­hal­ten, Pro­zess­da­ten und Apps. Wir be­sit­zen mit di­ver­sen Sen­so­ren aus­ge­rüs­te­te Smart­pho­nes, las­sen un­se­ren Tag von We­a­ra­bles wie Ak­ti­vi­täts­tra­ckern mes­sen, und der Trend geht hin zum Smart Home. Alles ist ver­netzt und in­zwi­schen ist diese Ent­wick­lung durch das In­ter­net der Dinge so weit vor­an­ge­schrit­ten, dass die An­zahl der Ver­knüp­fungs­punk­te, der mög­li­chen Adres­sen, die Ge­rä­ten zu­ge­wie­sen wer­den kön­nen, nicht mehr aus­rei­chen. „Daher soll die mo­men­tan ge­nutz­te Ver­si­on 4 des Internet-​Protokolls (IPv4) vor­aus­schau­end durch die Ver­si­on 6 (IPv6) er­setzt wer­den, wel­che eine deut­lich grö­ße­re Zahl an zu­weis­ba­ren IP-​Adressen bie­tet“, er­klär­te Ha­rald Gap­ski.

Gapskis Fazit ist klar for­mu­liert: Ob­wohl es schon lange mehr Dinge als Men­schen auf der Welt gibt und wir deut­li­che An­zei­chen dafür sehen, wie weit­rei­chend der Ein­fluss künst­li­cher In­tel­li­genz sein kann, hinkt die Bil­dung nach wie vor der Tech­no­lo­gie und der damit ein­her­ge­hen­den Ver­än­de­run­gen der Ge­sell­schaft hin­ter­her. Der Schlüs­sel zur Lö­sung vie­ler Pro­ble­me ist laut Dr. Gap­ski denk­bar ein­fach: die Hin­wen­dung zur För­de­rung der Me­di­en­kom­pe­tenz in der Bil­dung. Dies soll allen Me­di­en­kri­ti­kern zum Trotz vor allem das kri­ti­sche Den­ken för­dern.

Vier grund­le­gen­de Aspek­te, waren ihm dabei be­son­ders wich­tig:

  1. Kon­troll­ver­lust kann nicht al­lein durch in­di­vi­du­el­le Medien-​/Di­gi­tal­kom­pe­tenz auf­ge­fan­gen wer­den.
  2. Me­di­en­kom­pe­tenz be­darf neuer „di­gi­tal öko­lo­gi­scher Di­men­sio­nen“
  3. Mehr po­li­ti­sche Bil­dung und Mut zum Dis­kurs!
  4. Mehr philosophisch-​ethische, kul­tu­rel­le Bil­dung und of­fe­ne Fra­gen sind not­wen­dig.

Dr. Ha­rald Gap­ski ist wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter und Pro­jekt­lei­ter am Grimme-​Institut und Ko­or­di­na­tor des Grimme-​Forschungskollegs. Er ab­sol­vier­te ein Stu­di­um der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft, Phi­lo­so­phie und Media Stu­dies in den USA und pro­mo­vier­te zur Theo­rie von „Me­di­en­kom­pe­tenz“. Als Be­ra­ter, Vor­tra­gen­der und Autor setzt er sich mit Bildungs-​ und Kul­tur­the­men der di­gi­ta­len Ge­sell­schaft aus­ein­an­der.

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