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Vortrag 2 - Medien? Aber klar! Was - wann- wie lange?

Vortrag 2 – Erziehen ist Vorbild, nicht Vorlabern

Vortrag 2 Rogges zentraler Tipp an Eltern ist, sich die Motive hinter dem Medienkonsum anzuschauen: Sind Medien eine Begleitung des Lebens oder Ersatz für Leben? Bild: Christian Reinhold (LMZ), Text: Henriette Carle.

Kindern und Jugendlichen zuzuhören und zu verstehen, was sie an Medien fasziniert, nicht gleich alles besser zu wissen, das rät Dr. Jan-Uwe Rogge.  Für ihn stehen im Zentrum der Medienpädagogik die Menschen und nicht die Medien. Er betonte bei der Auftaktveranstaltung der regionalen Medienkompetenztage am 17.2.2016 in Stuttgart aber auch die Bedeutung von Grenzen und mahnte Eltern, nicht die Auseinandersetzung zu scheuen.

Rogge ist sozusagen der Grandseigneur der Medienerziehung, der sich bereits seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt. Der Videorekorder – Fluch oder Segen? sei der Titel eines Vortrags gewesen, den er 1982 in Stuttgart gehalten habe und der verdeutlicht, dass sich zwar die Medien weiterentwickeln, die Fragen von Eltern im Umgang damit sich jedoch weitgehend gleichen: „Was – wann – wie lange?“ Er habe sich damals übrigens dafür entschieden, die Rekorder als Segen zu betrachten, schließlich hätten sie es möglich gemacht, das Mittagessen nicht mehr nach der Sendezeit von Heidi auszurichten.

Geändert habe sich jedoch, dass Kinder mittlerweile unter ständiger Beobachtung stehen. Auch im Umgang mit Medien werden Kinder ständig beäugt. „Warum guckst du schon wieder fern?“, wird dann zum Beispiel gefragt. Dabei sei diese Frage nicht zielführend. Vielmehr sollen wir uns fragen, wozu Kinder Medien nutzen. Was steckt dahinter? Was möchte das Kind? Es wolle Beziehung, Austausch mit anderen. Man solle die Kinder ernst nehmen, sich in sie hineinversetzen.

Rogge rät, sich damit zu beschäftigen, warum Kinder bestimmte Geschichten oder Motive in den Medien lieben, wie zum Beispiel die Reise des Helden. Der Held zieht aus in die weite Welt, erlebt Abenteuer und Eigenständigkeit, und das sei es genau, was Kinder vorhaben. Während es heute sehr viel Überbehütung gäbe, inszenieren Helden Eigenständigkeit und das sei wichtig für Kinder. Außerdem lieben Kinder Geschichten, weil sie eine klare Struktur haben: Es gibt einen Konflikt, eine Lösung und immer ein Happy End. Sie seien fasziniert von Musik und Geräuschen, von der ganzheitlichen Wahrnehmung. Kinder gehen nicht mit Medien um, sie erleben sie, so Rogge.

Drei typische elterliche Haltungen macht er im Umgang mit Medien aus: Da sei zum einen die ablehnende, abwehrende Haltung, die Medien geradezu apokalyptische Auswirkungen zuschreibt und die mit Verboten arbeitet. Aber Verbote seien eine Sackgasse und führten nur dazu, dass die Kinder kreativer würden im Umgehen der Verbote. Dann gäbe es die angepasst-pragmatische Einstellung: Man könne eh nichts dagegen machen, also lasse man die Kinder einfach gewähren, eine Laissez-Fair-Haltung, die dazu führe, dass Kinder und Jugendliche einfach abtauchen. Drittens beschreibt er die kritisch abwägende Haltung, die sich an den Fragen orientiert: Was ist wichtig? Was braucht mein Kind? Es brauche keine Abwehrhaltung, sondern Unterstützung und Begleitung.

Rogge benennt einige Faktoren und Rahmenbedingungen, die ein gesundes Verhältnis von Kindern zu Medien fördern. Kinder, die ein suchthaftes Verhalten im Medienkonsum zeigten, hätten oft wenig Selbstbewusstsein. Um dieses zu entwickeln, müssten Kinder Erfolgserlebnisse haben. Auch sei es wichtig, dass Heranwachsende Räume haben, in denen sie toben können. Wenn man die Bewegung einschränke, würden die Medien erst richtig interessant. Außerdem betont er den Vorbildcharakter der Eltern. Im Zusammenleben einer Familie müsse es auch medienfreie Räume geben und Zeiten ohne Mediennutzung: „Erziehen ist Vorbild, nicht Vorlabern.“

Sein zentraler Tipp an Eltern ist, sich die Motive hinter dem Medienkonsum anzuschauen: Sind Medien eine Begleitung des Lebens oder Ersatz für Leben? Bestimmen Medien den Tagesverlauf oder ist es anders herum? Kinder brauchen Rituale, haben aber oft keine mehr, die unabhängig von Medien sind. Was die typische Frage nach dem „Wie lange?“ betrifft, empfiehlt Rogge, klare Medienzeiten zu vereinbaren, wie zum Beispiel zehn Stunden pro Woche, und die Kinder dann mitbestimmen zu lassen, wann sie diese Zeit nehmen möchten. Man könne zum Beispiel Halbstundenchips machen und natürlich passiere es dann vielleicht, dass die Hälfte der Chips an einem Tag aufgebraucht werde. Aber die Gesamtzeit solle nicht verhandelbar sein. „Grenzen zu setzen, ist eine Zumutung für alle Beteiligten, muss aber sein“.

Wichtig sei es, über Medien im Gespräch zu bleiben. Man könne durchaus auf Gefahren bei Medien hinweisen, dabei sei es aber wichtig, nicht zu dramatisieren, damit die Heranwachsenden das auch annehmen können. Und man solle unvoreingenommen sein, wenn man sich zum Beispiel etwas am Computer zeigen lasse, sich dabei auch mal auf ein Spiel einlassen, das verboten ist, denn erst dann könne man darüber reden und selbst erfahren, was es bewirke. Es gälte, Medienpädagogik nicht als Gegeneinander, sondern als Miteinander zu begreifen und bereit zu sein, auch von den Kindern zu lernen und ihre Kompetenzen ernst zu nehmen. „Da wächst eine tolle Generation heran, wir müssen nur ihre Kompetenzen erkennen.“

Kontakt

Medienpädagogische Beratungsstelle
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