HERE GOES INVISIBLE HEADER

Vortrag 2 - Digitale Medien in der Bildung

Vom Greifen und Begreifen: Digitale Medien in der Bildung

Vortrag "Digitale Medien in der Bildung" von Prof. Dr. Heidi Schelhowe, Bild: LMZ, Text: Henriette Carle.

Die Verwendung von Medien in der Schule muss den Unterricht nicht zwangsläufig besser und die Schülerinnen und Schüler nicht automatisch medienkompetenter machen. Das unterstrich Professor Dr. Heidi Schelhowe von der Universität Bremen bei ihrem Vortrag am Safer Internet Day der Initiative Kindermedienland am 10. Februar in Stuttgart.

Sie stellte einige Studien vor, deren Ergebnisse ziemlich ernüchternd ausfallen: Bei der ICIL-Studie zeigt sich nicht nur, dass Computer an deutschen Schulen vergleichsweise selten im Unterricht eingesetzt werden und die Lehrerinnen und Lehrer hier dem Computereinsatz besonders skeptisch gegenüber stehen. Alarmierend ist auch der Befund, dass Deutschland zu den drei Ländern gehört, in denen der Computereinsatz sogar kontraproduktiv zu sein scheint, da selbst die häufige Nutzung im Unterricht die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen nicht unbedingt verbessert. Auch Bardo Herzig hat in seiner Untersuchung festgestellt, dass die Nutzung digitaler Medien im Durchschnitt nur einen relativ geringen Effekt auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler hat.

Der Computer als Medium

Wie kann also mit Medien gelernt werden, so dass Kinder und Jugendliche wirklich davon profitieren und echte Kompetenzen dazugewinnen? Um diese Frage zu beantworten, richtete Schelhowe den Blick erst einmal auf das, was den Computer als Medium auszeichnet. Denn jedes digitale Medium enthält als Kern den Computer, der mit Algorithmen, also mit automatisch durchgeführten Prozessen arbeitet.

Historisch betrachtet, wurden mit dem Computer erstmals geistige Prozesse auf eine Maschine übertragen. Der Computerpionier Konrad Zuse bezeichnete Rechenmaschinen deshalb auch als „fleischgewordene Mathematik“, denn Computer sollten vor allem dazu dienen, den Ingenieuren die langweiligen und routinehaften Rechenarbeiten abzunehmen. Die geistige Arbeit des Rechnens wurde auf diese Weise in etwas Materielles, nämlich eine Rechenmaschine, umgewandelt.

In dieser Funktion des Computers, Menschen geistige Arbeit abzunehmen, sehen Kritiker wie Manfred Spitzer beim Einsatz digitaler Medien das Problem und befürchten, wir würden das Denken den Computer überlassen und somit verdummen. Natürlich wollen wir in der Bildung gerade nicht, das Denkprozesse rationalisiert werden, so Schelhowe, sondern wir wollen das Denken fördern.

Greifen und Begreifen

Digitale Medien verstecken die Maschinen zunehmend hinter Oberflächen, die uns den Umgang mit ihnen erleichtern und intuitiver machen sollen. Dabei lassen sie uns immer mehr vergessen, dass letztlich Prozessoren dahinter stecken, die unsere Bewegungen, mit denen wir den Computer steuern, in Rechenprozesse übersetzen. Digitale Medien verbinden also die Welt der Zeichen mit der materiellen Welt und werden von Kindern deshalb oft als eine Art Zauberei wahrgenommen.

Als Pädagogin und Informatikerin nimmt Schelhowe besonders diesen Aspekt der Medienkompetenz in den Blick und fordert, die Vermittlungsprozesse zwischen virtueller und stofflicher Welt begreifbar und nutzbar zu machen, indem ihre Entstehung als algorithmische Prozesse handelnd nachvollzogen werden. Die schulische Medienbildung solle verständlich machen, wie solche Algorithmen funktionieren: Wie kommt es zum Beispiel dazu, dass mir Facebook Freunde vorschlägt? Oder wie entsteht das Ranking der Suchergebnissen bei Google? Um diese Prozesse verstehen zu können, müsse nicht jeder programmieren können, aber doch eine Vorstellung davon bekommen, worum es in der Informatik geht.

Digitale Medien spielerisch erkunden und gestalten

Leider sei der Informatikunterricht an Schulen oft langweilig, so Schelhowe. Wie die pädagogische Praxis lebendiger werden kann, verdeutlichte sie am Beispiel einiger Projekte ihrer interdisziplinären Arbeitsgruppe an der Universität Bremen. Dort werden Workshops konzipiert, die dem Prinzip des Konstruktionismus folgen, wonach am besten mit Hilfe konkreter Objekte gelernt werden kann. Bei den Workshops sollen also Prozesse der Informatik an konkreten Objekten sichtbar gemacht werden, zum Beispiel mit Lego Mindstorms, woraus sich interaktive Roboter bauen und programmieren lassen. Auch FabLabs  werden genutzt, deren 3D-Drucker die Verbindung von virtueller und stofflicher Welt sozusagen auf den Punkt bringen. Ein weiteres Angebot ist ein „Eduwear Toolkit“, ein Baukasten, mit dem spielerisch Ideen für eine intelligente Kleidung umgesetzt werden können.

Gearbeitet wird auch mit der Installation Der Schwarm, bei der eine Projektion von Lichtpunkten auf die Bewegung von Menschen reagiert. Kinder nehmen diese Lichtpunkte oft erst einmal wie Tiere wahr, da sie mit ihnen interagieren können wie mit einem Lebewesen. In dem Workshop können sie dann die „Gemachtheit“ der Installation kennenlernen, in dem sie selbst die Parameter verändern, nach denen die Lichtpunkte auf Bewegungen reagieren.

In den Kursen erleben die Kinder und Jugendlichen also, wie sie die digitale Welt selbst beeinflussen und gestalten können und erfahren dadurch eine Selbstwirksamkeit im Sinne des Empowerments. Als Beispiel dafür erzählt Schelhowe von einem Jungen, der in einen ihrer Kurse kam und gleich zu Beginn saget: „Die Roboter werden die Welt beherrschen.“ Nach dem Kurs meinte er dann: „Das glaube ich immer noch, aber jetzt kann ich sie selbst bauen.“

Die Präsentation von Dr. Heidi Schelhowe:

Vom Greifen und Begreifen

Der komplette Vortrag zum Nachhören als Audiodatei:

Vom Greifen und Begreifen (MP3)

Kontakt

Medienpädagogische Beratungsstelle
0711 2850-777
beratungsstelle@lmz-bw.de

Präsentationen